Unlike
In seinem Blogartikel Agil: die nächste Generation hat Holger Koschek ein interessantes Aspekt unseren Gesellschaft angesprochen – Belohnung ohne Bestrafung. Die prominenteste Implementierung davon ist das Facebook Like-Button, welches vereinfacht das positive Feedback zu geben. Bei Facebook, gibt es keinen Unlike-Button. Die einzige Methode seine negative Meinung auszudrücken ist ein Kommentar, dem man aber auf dem ersten Blick nicht einsehen kann, ob dieser nun positiv oder negativ ist. Auch die Position von Kommentaren ist ungünstig im Vergleich zu dem Like-Counter der an einer sehr prominenten Stelle platziert ist. Eine wichtige Frage ist also welche Auswirkungen ein so geartetes Bewertungssystem auf die Menschen die damit konfrontiert werden. Holger geht jedoch noch einen Schritt weiter und diskutiert die Frage, welche Auswirkung es auf junge Menschen oder Kinder hat.

Zunächst gibt es ja keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Menschen unterschiedlichen Alters. Im Laufe unseren Lebens macht jeder Mensch Erfahrungen, die durch Beobachtung und Bewertung von Handlungen entstehen. Die Bewertungen fallen dabei sowohl positiv als auch negativ aus – beide Teile der Wahrnehmung sind gleich wichtig um unseren Erfahrungshorizont zu erweitern. Wenn die selben Erfahrungen immer wieder gemacht werden, dann verstärken sie sich und es entstehen Werte. Erwachsene haben meistens mehr Erfahrung als Kinder und so ist das Wertesystem eines Erwachsenen meistens ausgeprägt. Das Wertesystem dient uns als Kraftfeld zum Handeln – es beeinflusst unsere Entscheidungen und hat damit einen Einfluss auf unser Verhalten. Diese Kopplung ist nicht kausal – wir können gegen unsere Werte handeln und vor allem kann nicht von Handeln auf Werte geschlossen werden.

Jeder Mensch interagiert durch das Handeln mit seiner Umgebung. Die betroffenen Menschen spiegeln ihre Wahrnehmung und Bewertung zurück in Form von Lob und Kritik. Diese Reflexion entsteht durch die Interpretation einer Beobachtung im eigenen Wertesystem, die anschließend durch die Kommunikation mit anderen Menschen als eine Meinung ausgetauscht wird. Ein Handelnder erhält also eine Rückkopplung zu seinem Handeln – auch diese Erfahrung ist wichtig und formt unser sozial-gesellschaftliches Verständnis.

Fehlt diese Rückkopplung oder fällt diese einseitig aus, führt es zur Verzerrung der Wahrnehmung. Fehlt es an der Kritik, so häufen sich die Erfahrungen, dass jedes Handeln ohne Widerstand angenommen wird, die Stellung der eigenen Meinung wächst. Fehlt es an Lob, so wird jedes eigene Handeln mit der widerständigen Reaktion der Umgebung assoziiert. Zuckerbrot ohne Peitsche, oder Peitsche ohne Zuckerbrot – beides hat eine Konsequenz auf die Bildung unsere Werte. Aus diesem Grund ist es insbesondere wichtig, dass junge Erwachsene oder Kinder das System der Bewertung richtig kennen lernen. Wer in einer reinen Lob-Umgebung aufwächst, hat es später schwer und wird vielleicht sogar überfordert, wenn er mit Kritik konfrontiert wird.

Auch die technische Asymmetrie des Austeilens von Lob und Kritik führt dazu, dass diese Erfahrungen unsere gewohntes Verhalten beeinflussen. Wer mit einem Klick etwas Lobt – tut es eher, als ein Kommentar zu schreiben und die eigene Argumente darzulegen. Wer es dabei noch als Benutzer Nummer 8103 tut, wo schon andere 8102 es schon getan haben, sieht die eigene Handlung als bestätigt an – durch das einfache Anschließen an die anonyme Gruppe der Befürworter füllt man sich dazugehörend, ohne sich mit der Gruppe und vielleicht auch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Für den Autor wirkt es natürlich enorm verstärkend, wenn sein Beitrag von 8103 Anderen gelobt wurde. Diese Erfahrungen ermutigen zum weiteren Erstellen von weiteren Beiträgen – egal welchen Inhalts. Die Widerständigkeit der sozialen Umgebung wird durch dieses ausgehüllt. Das Ergebnis ist die Generation von Ja-Sagern, die es weder gelernt hat sich kritisch mit einer Thematik zu beschäftigen, noch auf Meinungen von Anderen zu hören.

Das ist für mich die Erklärung dessen, was bei Facebook stattfindet: die einen Schreiben sinnfreie Beiträge, die wiederum Andere sofort ganz toll finden. Als Ergebnis verblöden sowohl die Einen, als auch die Anderen. Nach Meinung von Sascha Lobo, ist es auch kein zufälliges Nebeneffekt, sondern Teil einer Strategie, die Soziale Netzwerke verfolgen, um die Benutzer an das eigene System zu binden. Mehr dazu hat er in diesem Beitrag erörtert: Warum soziale Netzwerke sich nicht durchsuchen lassen.